Die Suche
Ich gehe durch die Straßen,
Suche Deinen Blick,
Schaue in tausende von Augen,
Finde Deine nicht.
Die Enge verhindert die Weitsicht,
Der Bote des Glücks erdrückt,
Das Hoffen schlägt um in Verzweiflung,
Beachtet das Wesentliche nicht.
Ich bleibe am Flussufer stehen,
Der Strom nimmt alles mit,
Die Oberfläche spiegelt meine Seele,
Tiefe verändert sie nicht.
Die Enge gemindert durch Weitsicht,
Der Bote zum Glück entrückt,
Die Ausdauer bestätigt die Hoffnung,
Bereichert das innere Ich.
Ich gehe meiner Wege,
Finde Deinen Blick,
Schaue in leuchtende Augen,
Ein Lächeln huscht übers Gesicht.
Die Weisheit der Pica pica
Eingemummelt in Mäntel, der Kälte trotzend, aber der ersten wärmenden Sonnenstrahlen aufsaugend. So sitzen wir gemeinsam, draußen auf Stühlen, eher unbequem, da die Sitzkissen noch nicht den Weg auf diese gefunden haben, geschuldet der frühen Jahreszeit. Aber das stört nicht.
Es ist Ende Februar. Wer macht da schon Urlaub und bucht ein Ferienhäuschen mit Aussicht auf Weitblick, das Schauen über das Geschehen ins Tal. Kein Schnee. Keine Fans dem Skiurlaub. Aber weg von neugierigen Blicken, die verraten könnten, was sie gesehen. Weg vom Alltag und der Enge. Die Zeit nutzend dem Unterwegssein des jeweiligen Partners. Einer Liebe etwas mehr Raum gebend, als sonst einem Versteckspiel unterworfen.
Ruhe und Geborgenheit haben die Oberhand gewonnen. Schweigen, die Augen geschlossen, das Gesicht gen Sonne gerichtet. Stunden vergehen, unbemerkt, viel zu schnell. Ein paar Worte werden gewechselt, wir unterhalten uns, ruhig, kleiner Gedankenaustausch. Ein Glas Rotwein in der Hand, das hin und wieder den Genießer wechselt. Glas-Sharing nennst Du dies. Für mich ein Zeichen der Verbundenheit. Das grell des Tages verändert sich und das seichte Abendlicht vor Sonnenuntergang verbreitet seine Stimmung.
Kitsch? Abgedroschene Geschichte wie tausendmal gehört? Nein. Harte Realität. Ich schaue Dich an, beobachte Deine Gesichtszüge und registriere Deine Augen, suchend nach meinen. Ein Lächeln, ansteckend, der spürbaren Innigkeit. Eine noch nie dagewesene Tiefe, Verschmelzung in vollendeter Form. Kaum in passende Worte definierbar. Wissend dem Erleben, das nicht jedem zuteil wird. Was ganz besonderes. Beide haben wir schon ein halbes Jahrhundert hinter uns gebracht, viel erlebt und versucht, der Engstirnigkeit des Umfeldes zu trotzen und zu entkommen. Erdrückender Ballast. Doch überall vorhanden, mehr oder weniger. Offen gezeigtes Unverständnis doch insgeheim, versteckter Neid unserer Denk- und Lebensweisen. Jeder hat nur dieses eine Leben, das gelebt sein will. Jedem soll es gut gehen. Und wir? Wir haben uns gefunden, warum auch immer. Wer weiß das schon. Aber keiner will den anderen verletzen oder einschränken. Ein Ring der bedingungslosen Zweisamkeit und Vertrautheit, mit der Freiheit des Miteinanders. Schutzgebend, um existieren zu können in dieser oberflächlichen, machtorientierten Welt.
Pica Pica, die Elster, mit ihrer stattlichen Größe, vermutlich ein Weibchen. Sie nähert sich immer wieder. Vorsichtig, fast unaufgeregt und neugierig zugleich. Dann verschwindet sie in den Schutz der Höhe in sicherer Entfernung, lässt aber ihre Blicke nicht ab von uns. Um sich danach noch etwas weiter an uns ran zu wagen. In diesem Abendlicht leuchtet ihr schwarzes Kleid an Kopf, Brust und Rücken besonders schön. Das Weiß besonders rein, vor allem an den Endspitzen der Flügel. Die Armschwingen und langen Schwanzfedern sanft metallisch grün-blau schimmernd, je nach Stellung und Sonneneinwirkung. Wir beobachten ihr Tun, oder verhält es sich andersherum? Vermutlich beides. Wir sind die Eindringlinge, ihr Revier vereinnahmend.
Zweibeiner? In meinem Terrain? Durchkreuzen mein Tun? Muss ich die Flucht ergreifen? Doch wie kommt es, dass sie mich nicht wirklich beachten, lassen mich rankommen, verscheuchen mich nicht. Bin ich ihnen nicht wichtig? Sie Wirken in sich und mit sich in Einheit der Umgebung. Respekt und Akzeptanz als Zusammenspiel ihres eigenen Seins, als Lebensinhalt. Ich muss mir das anschauen, näher ran, um mich zu vergewissern, ob mein Erkennen übereinstimmt mit der Realität.
Aus der Ferne ist ein Kirchengeläut zu hören, das den Abend ankündigt. Das gegenseitige Beäugen muss eine gute Stunde von statten gegangen sein. Die Elster traute und vertraute unserer Nähe. Vielleicht vermutete sie, dass wir etwas zu Essen haben, von dem sie sich ein wenig erhaschen hätte können. Und dann war sie weg. Haben wir sie erschreckt oder enttäuscht? Gar vertrieben, unbewusst? Das lag sicherlich nicht in unserer Absicht. Im Gegenteil. Hier hätten wir alle drei Platz gehabt und ungestört des Leben leben können. Die Sonne ist weitergezogen, zeigt sich woanders. Die Kälte lässt uns nach drinnen drängen. Einen kleinen Moment lang schien es, als ob was fehlen würde. Doch die Wärme des Holzfeuers im Kamin des Hauses stellt das innere Gleichgewicht und das Gefühl der Geborgenheit wieder her.
Ich schnappe ihn mir, zumindest ein Stückchen davon. Er liegt da herum, der Ring der bedingungslosen Zweisamkeit und Vertrautheit. Ein wenig Neid kam auf, als ich die beiden sah, im Schutz ihres Miteinanders. Auch ich möchte dies erleben. Wenn ich etwas davon habe, werde ich es mir bewahren. Ein vorhandenes Stück kann wachsen, mit Geduld und Zeit und sich nähren aus der Notwendigkeit der Achtsamkeit. Mein Leben ist viel zu kurz, um Kompromisse einzugehen. Keiner hat das Recht, den anderen in irgendeiner Form zu verletzen. Gegenseitiger Respekt als höchstes Gut.
Doch da verlor ich ihn, den Ring, den ich mir einfach nahm. Im Höhenflug hab ich ihn vergessen und ließ los. Ein tiefer Fall ins nichts, in die Leere der Endlichkeit. Weg – für immer? Unwiderruflich? Ich sehe sie vor mir, das Paar, das dort in tiefer Verbundenheit saß, draußen, beieinander. Nichts schien sie aus der Bahn schleudern zu können. Und ich fliege los, begebe mich auf die Suche, um zu finden, was mir damals so imponierte, mir so viel gab.
Die Zeit vergeht und ich werde fündig auf meinem Weg durch die Weite. Doch nichts scheint zu passen, entspricht nicht dem Verlorenen. Entweder ist der Ring zu groß oder einengend, zu kurvig oder geradlinig, zu hart oder sich auflösend, verbiegt sich oder zeigt Ecken.
Frust macht sich breit, schaufelt sich seine Bahn durch mein Inneres. Der März ist da. Ich muss meiner Bestimmung als Vogel folgen. Die Paarungszeit beginnt und meine Bettelrufe kommen aus meiner Kehle, klingen sicherlich verzweifelt und abschreckend, anstatt lockend und animierend des anderen Geschlechts. In der Luft ein Balzen und Werben. Keine Aussicht auf Erfolg. Welcher Partner ist in der Lage, mich nicht nur zu akzeptieren, sondern mich in meiner Freiheit zu beschützen.
Da nähert er sich und erkennt. Selbstbewusst und klar, sich aufplusternd mit seiner Schönheit werbend und sich seiner Stärke bewusst. Wie es sich gehört, hat er ein Geschenk dabei, für seine Liebste, mit der er den Rest seines Lebens verbringen möchte und gibt ihr den Ring, den sie verloren: passt.
Traumflucht
Der Abend ist bestrebt, der Nacht den Platz zu überlassen. Die Sonne, von meinem mit Himmelsblick durch das Fenster nach draußen, nicht mehr sichtbar. Das Dunkel ist durchbrochen von Wolkenformationen, die sich auf ihrem Weg verändern. Das Schauspiel als Spiegel meiner Stimmung, ahnend dem Kommenden und hoffend der nicht stattfindenden Realität.
Ich höre Musik. Die CD läuft auf der Wiederholungsspur. Seit Stunden spielen die vertrauten Klänge. Wellen und Nuancen, die Deine Seele spiegeln. Es ist ein Versuch, Nähe zu spüren. Es gelingt nur nicht. Bist so weit weg! Bewegst Dich momentan in einer Welt – einer anderen als meiner.
Und Deine Musik? Gespielt und aufgenommen in einer Zeit, in der wir uns nicht kannten. Darum nicht an mich gedacht, nicht an meine Person gerichtet.
Traurigkeit erfasst die Seele, die die innere Stärke nicht zulässt. Tränen fließen, ungeniert des Alters, denn Sehnsucht und Einsamkeit besitzen keinen Altersanspruch. Meine Gedanken beherrschen das Fühlen, auch wenn sie in die verkehrte Richtung denken. Nur Du könntest sie beeinflussen. Ich schaffe es in diesem Moment der gefühlten unendlichen Leere nicht. Vorhanden ein falsches Gefühl, das ein Gutes nicht zulässt?!
Aber nichts kommt. Kein Zeichen, keine Geste, die mich hoffen lassen. Tue ich Dir unrecht? Mag sein. Beim Betrachten unseres sonst so innigen Miteinanders müsste es ein leichtes sein, die schweren Gedanken vom Wind der Liebe forttreiben zu lassen.
Bist in der Frühe losgefahren – gen Süden. Über viele Stunden habe ich Dich begleitet. Nach langer Fahrt angekommen an Deinem Zielpunkt: ausgeklinkt. Ortung aus. Mein Dasein abgekoppelt. Blickrichtung nicht zurück, sondern auf das direkte Vor. Kein Beteiligtsein …
Lass gut sein. Die Realität nicht Traum und Traum nicht Realität. Lebst in einer anderen Welt – in Deiner. Liebe lässt Freiheit – alles Sonstige wäre eine Lüge. Nein. Alles gut. Dein Platz an meiner Seite … leer. Alles gut?
Wellen
Wellen
An das Ufer sich bewegend
Ruhig und im gleichmäßigen Treiben
Ankommend.
Die Klippen empor drängend
Den Weg suchend und findend
Sich dann zurücknehmend und innehaltend.
Um das Gefühlte zu intensivieren und bleibend zu konservieren
Dem Gegenüber das Gleiche zuzugestehen
Um dann tosend der aufwallenden Empfindung Raum zu geben
Kraftvoll dem Endpunkt hinzuströmen.
Im Wechsel
Mal langsam rhythmisch genießend
Mal gierig egoistisch
Schwimmend im Saft der Süße
Sich in der endlosen Weite des Meeres verlierend.
Am Ende unausweichlich die Explosion
Sich ausbreitend vom Endpunkt in die Peripherie.
Und danach?
Langsam wieder in den Puls des täglichen kehrend
Gestillter Durst
Vorerst…